Eine immer wieder auftauchende Frage von FreiberuflerInnen: An welcher Stelle nenne ich meinen Preis?
- Schreibe ich den Preis auf meine Internetseite?
- Schreibe ich Preise in meine Broschüre?
- Nenne ich auf Anfrage im ersten Satz einen Preis?
Ich denke als grobe Faustregel: Je standardisierter die Leistung ist, desto eher sollte der Preis auftauchen.
Ich persönlich finde es lästig, wenn ich nicht zügig einen konkreten Preis genannt bekomme.
Insbesondere im Bereich Coaching, Beratung und Training möchte ich erst einmal wissen, in welcher preislichen Gegend wir uns bewegen.
Mir ist dann relativ egal, ob es 80 oder 82 Euro pro Stunde sind. Mir ist aber nicht egal, ob es 80 oder 800 sind.
Und manche Leute wollen dann erstmal eine halbe Stunde über ihre „Lösung“ reden, anstatt mir eine grobe Orientierung zu geben.
Mein früherer Mentor Warren Barigian nahm 850 USD pro Session, aber er war eine Ausnahmeerscheinung. Ihm habe ich das gerne gegeben, denn er konnte etwas und konnte mir helfen, schwierige Probleme tatsächlich zu lösen.
Die große Mehrzahl der Menschen im Bereich Coaching, Beratung und Training kann nach meiner Erfahrung weniger.
Bei sehr individuellen Leistungen finde ich es angemessen, wenn der Anbieter erst einmal sehr genau wissen möchte, was genau gewünscht wird, usw.
Bei standardisierten Dienstleistungen wie Putzdienst, Haareschneiden, Flugticket, Busticket, usw. möchte ich sofort einen Preis haben.
Wie machen das jetzt die FreiberuflerInnen mit ihren Preisen? Wann und wo nennen sie ihre Preise?
Manche – aber nur sehr wenige – schreiben Preise auf ihre Internetseite.
Das sind z.B. Softwareentwickler oder Datenbankspezialisten, die für jedes Projekt in etwa denselben Level an Skills mitbringen, die sowieso oft in Gruppen angeheuert werden.
Auch die Leistungen gewerblicher Buchhalter und freier Bürohilfen sind weitgehend standardisiert, und sie schreiben oft ihre Preise in ihre Webpräsenz.
Bei einem Controller macht das wenig Sinn. Die Aufgaben sind zu vielfältig, jedes Kundenunternehmen hat einen anderen Anspruch und der Umfang der Projekte variiert auch sehr stark.
Das Dilemma beim Preis
Nenne ich meinen Preis zu früh, nehme ich mir eventuell Verhandlungsspielraum. Nenne ich ihn zu spät, ist mein Kunde vielleicht bereits genervt und geht woanders hin.
Zu niedriger Preis:
Der Kunde nimmt mich nicht ernst und gibt mir den Auftrag überhaupt nicht
Ich erhalte weniger, als möglich gewesen wäre.
Beides ärgerlich.
Zu hoher Preis:
Der Kunde lehnt gleich ab und ist ggf. zu schüchtern zum Nachverhandeln
Ich erhalte gar nichts
Auch ärgerlich.
Also, zu welchem Zeitpunkt nenne ich welchen Preis?
Darauf gibt es keine genormte Antwort.
Je nachdem, in welcher Branche, welchem Umfeld und welcher Art Tätigkeit man sich bewegt, funktionieren sehr unterschiedliche Strategien.
Für mich selbst gehe ich nach 3 Kriterien vor:
- Wo ist das Projekt? Hotels in München sind teurer als in Bremerhaven. Essen kostet unterschiedlich viel, usw.
- Wie lange ist das Projekt? Wie lange sichert es meine Finanzierung, und in welchem Verhältnis stehen die Kosten für Anreise und Abreise zur Dauer des Aufenthalts?
- Wie hoch schätze ich das Schmerzensgeld? Wie viele „interessante Charaktere“ werde ich treffen, wie hoch ist allgemein der geschätzte Wahnsinns-Faktor von Branche, Unternehmen und Projekt-Thema?
Eine Zeit lang habe ich niedrigere Tagessätze genannt, wenn ich glaubte, es würde mein Prestige erhöhen, wenn ich dieses oder jenes Unternehmen als Auftraggeber hätte.
Hat aber nicht mein Prestige erhöht. Hat niemanden interessiert. Also habe ich damit wieder aufgehört.
Die andere Seite merkt sich ausschließlich den niedrigsten Preis
Wenn mich jemand anfragt, frage ich wiederum nach den oben genannten Kriterien.
Nach den Schmerzensgeld-Faktoren frage ich selbstverständlich indirekt.
Wenn mir dann jemand sagt, Laufzeit des Projektes 6 Monate Vollzeit in Bremen, dann nenne ich einen Tagessatz, der natürlich niedriger ist als 2 Tage in London. Ich sage auch ganz ausdrücklich, das gilt für diese Ort, diese Laufzeit und dieses Projektniveau; unter anderen Bedingungen wird es mehr oder weniger.
3 Monate später ruft der Kunde wieder an und möchte mich für eine Woche nach München schicken. Dann ist er ganz entgeistert, wenn ich einen Tagessatz nenne, der über 6 Monaten in Bremen liegt.
Die andere Seite merkt sich sehr oft nur den niedrigsten Preis.
Komm zur Sache, Schätzchen
Mich persönlich nervt es extrem, wenn ich von meinem Gegenüber keinen Preis genannt bekomme, sondern der ewig daherlabert.
„Was kostet das denn jetzt pro Tag?“
„Ja, wir haben da dieses tolle Smaragd-Paket und das Diamant-Paket und den Rosa-Pudel-Bonus in unserer Top-Platin-Aktionswoche…“
„Was kostet das pro Tag?“
„Lassen Sie mich erst mal den Katalog unserer Leistungen –„
„Nein! Pass mal auf, Schatzi. Wenn Du jetzt mit einem Tausender pro Tag ankommst, können wir gleich auflegen. Also: Über oder unter tausend pro Tag?“
„Da haben wir das Top-Flight-Angebot mit der Premium-Karamellsauce…“
KLICK.
Oder: Ich will nur den Preis für ein Seminar wissen. Da ist ein Button „Hier geht es zum Preis.“
Da könnte so ein schlichtes Gemüt wie ich die Implikation herauslesen, dass es dort zum Preis geht. Oder ist das überinterpretiert?
Stattdessen verbringe ich 5 Minuten damit, mich zu „registrieren“, auf einer weiteren Seite OHNE Preis-Information.
Zwei Seiten weiter schließlich der Preis.
Dagegen war die Einreise in die DDR unbürokratisch.
FAZIT zum Preis in der Freiberuflichkeit
Es gibt viele Faktoren zu bedenken, was Preise angeht.
Eine unfehlbare Strategie gibt es da nicht.
Eine gute Überlegung dabei ist sicherlich, wie schätze ich das ein, wie sehr entscheidet dieses Unternehmen nach Preis?
Für Standardaufgaben habe ich Standardpreise im Hinterkopf, die ich dann schnell überschlägig nach oben oder unten anpasse je nach Einsatzort, Laufzeit und geschätztem Schmerzlevel.
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